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Sonntag, 30. Mai 2010
Sein III
Die Ereignisse der letzten Tage / Wochen:

Zum ersten Mal lebte ich subjektiv in einer Phase der Entschiedenheit für den Suizid. Während ich mir dies all die Jahre niemals erlaubte und gegen ein aus bestimmten Gründen hin und wieder aufwallendes Bedürfnis ankämpfte, so wählte ich diesmal einen anderen Weg:
Ich sagte mir "schluss-aus-vorbei!, keine Widerrede mehr, kein klägliches Kämpfen mehr, die Entscheidung steht!" - und stand somit nur noch vor ein paar praktischen Fragen bezüglich der Durchführung und dem Hinterlassen irgendwelcher Anweisungen für Freunde und Angehörige. Selbstverständlich stand ich auch psychologisch vor einer anderen Herausforderung, denn wenn man sich plötzlich mit dem Kopf dafür entscheidet, hat man eine neue Situation.
Man kann z.B. seinen Mut ja nicht einfach so auf Bestellung aus einem emotionalen Rausch schöpfen, den ich aber für wichtig hielt bzw. der mir ein Gefühl der Sicherheit verliehen hätte. Überhaupt war da für mich die Frage nach der "richtigen Stimmung" kurz vor und im Moment des Eintritts des Tods, die für mich eine mehr oder weniger höhere Bedeutung zu haben schien - welchen "Weg" wollte ich hier gehen?
Mit all diesen Fragen beschäftigt, die teils primärer teils sekundärer Natur für mich waren, tätigte ich meine Spaziergänge. Bei fast jedem Rastplatz, der ein kleines bißchen abgelegen war, stellte ich mir die Frage "Warum nicht hier?", "Wie wäre es?".
Die Entscheidung war im Grunde absolut, zumindest war der Hauptwiderstand weggebrochen, dieses krampfige Festhalten an einem "Du musst doch eigentlich!" und der Illusion eines "anderen Weges", der für mich möglich sei und der eben immer darin bestand, ein weltlicher Weg zu sein. Das zeitliche Aufschieben, das es noch gab, war keine Inkonsequenz. Es war fast genauso konsequent wie das geistige Einstimmen eines Athleten auf einen Wettkampf. Lediglich am Rande suchte ich noch nach anderen Alternativen, doch war ich ganz nüchtern bereit, das Ausbleiben einer solchen Entdeckung zu akzeptieren um dann zur Tat zu schreiten.

Irgendwann kam mir aber der Gedanke, dass ich, anstatt zu "gehen", doch auch einfach wieder zu meinem Mönchsweg zurückkehren könnte...
Wenn ich jetzt so oder so all die Ziele und Projekte in meinem Kopf loslasse... all die Zeichen und Aufgaben loslasse... den Wunsch loslasse, die Erfahrung der "Selbst-Erinnerung" durch Worte transportieren zu können...

Und darf ich sagen, dass ich nun zu meinem Weg zurückgefunden habe?
Bei all meinen krampfigen Versuchen, zum Mönchsweg zurückzukehren - sie waren das Gegenstück zu den krampfigen Versuchen, einen weltlichen Weg für mich zu finden -, hatte ich nämlich einen Fehler gemacht, den ich bei dieser Entwicklung automatisch umging: Ich wollte immer zum Akt des intensiven Meditierens zurückkehren, wie ich es früher eben gemacht hatte, doch entspricht dies gar nicht der für mich momentan wichtigen Übungsphase. Als "Mönch" ist für mich jetzt etwas anderes dran und dieses zu "tun" ist das einzige, das mir nach langer, langer Zeit mal wieder den Eindruck vermittelt, dass es sich hier um einen Weg mit Hand und Fuß handelt, dass es sich hier um einen Weg handelt, der wirklich ist und nicht nur Wunschdenken und Illusion.

Die Nähe zwischen Freitod und spirituellem Weg kommt natürlich nicht von ungefähr. Es war eigentlich auch nicht so sehr ein "Gedanke", der mich wieder auf den Mönchsweg stieß. Es war viel mehr die Ähnlichkeit des geistigen Zustands zwischen einem Menschen, der nüchtern und mutig den Tod wählt, und einem Menschen, der mit seinem inneren Selbst in einem gewissen Kontakt steht. In beiden Fällen entsteht eine gewisse Faszination und Lust am eigenen Mut / Weg. Auch stimmt man sich stärker auf Gott und die Gesamtheit allen Seins ein.

Nebenbei hat mich das Einstimmen auf den Suizid von diesen lästigen Gefühlen, noch irgendwelche Pflichten zu haben, befreit. Und damit löst sich für mich ein großes Dilemma. Ich habe in den letzten Jahren viele Gelegenheiten und Zeichen zugespielt bekommen, die ich (fast) alle ausgeschlagen hatte, und jedes Mal hat sich ein kleines Häufchen schlechtes Gewissen angesammelt.
Indem ich mich nun aber prinzipiell erdreistet habe, mich über die ganze Welt hinwegzusetzen, habe ich mich auch über die Zeichen in ihr hinweggesetzt und betrachte ihre Befolgung nicht mehr so als Pflicht. Die Hypothese, dass "Zeichen" manchmal auch höchst verführerische Versuchungen sein können, hatte mir diese Freiheit zwar schon immer möglich gemacht, doch war ich letztlich einfach nicht mutig genug, sie zu nutzen, zu beeindruckt war ich manchmal doch von ihnen.
Höre ich nun auf meinen inneren Kern, was mir jetzt wieder sehr viel leichter gelingt, so sagt er mir sehr klar, dass es für mich womöglich einfach viel zu früh ist, irgendwelche große Aufgaben in der Welt zu übernehmen. In keinem Fall sagt er mir, dass ich den Zeichen folgen muss als gäbe es nichts Wichtigeres. In jedem Fall sagt er mir aber immer wieder, dass ich bei ihm bleiben soll und dass er womöglich großes, großes Potential hat.

Fazit: Einfach öfter mal den Freitod planen.



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