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Freitag, 30. Dezember 2016
Sein IIIa
Was mich im politischen Diskurs immer wieder stutzig macht, ist die plumpe Polarsierung zwischen den Polen "Liebe" und "Hass".
Sie werden praktisch mit "gut" und "böse" gleichgesetzt. Für den einen Pol gilt: absolut erwünscht, je mehr desto besser. Für den anderen: Null Toleranz, je weniger desto besser.

Die faktische Anwendung dieser geistigen Einfältigkeit ist derart grob, dass es mir schwerfällt, dies in Worte zu fassen. Allerdings bin ich mir auch nicht ganz so sicher, ob die Ursache hier mehr bei mir liegt, oder in der Außenwelt. Bin ich vielleicht der Kleinkarierte, weil ich mich daran so störe? Wieso nicht einfach ein wenig geistige Schwarz-Weiß-Malerei zulassen? Zumal es hier doch nun wirklich um "Liebe" und "Hass" geht? Auf welcher Seite stehe ich denn nun? Gehöre ich zu den Guten oder den Bösen? Bin ich nicht auch für die "Liebe"? Na also, dann hab ich mich doch nicht so, ob hier und da auch noch ein menschlicher Trieb beschnitten wird, der sich zwischen Liebe und Hass befindet! Alles, was nicht 100%ig auf unsere "Liebe" hin ausgerichtet ist, fällt eben mal unter den Tisch! Das ist immer noch besser, als irgend ein Pflänzlein unkontrolliert wachsen zu lassen, das möglicherweise einen Funken "Hass" enthält...

Konkret geht es ja eigentlich nur darum: Man äußert sich kritisch zur Aufnahme von Flüchtlingen und landet schnurstracks in der Kategorie "Nazi". Oder man redet von "Überfremdung" und ist ein "Rassist", schon allein weil man dieses eine Signalwort benutzt hat. Oder was sich sonst an dieser Stelle an hunderten von Beispielen aufzählen ließe.

Wer nicht 100%ig gut, ist böse. – Man könnte sich hier sogar auf Jesus berufen, der den Titel "gut" nicht für sich gelten lassen wollte: "Nur der Herr im Himmel ist gut." Ich halte diese Assoziation aber irgendwie gleichermaßen für zutreffend und dann auch wieder nicht. Einerseits ist diese dumpf-blöde und völlig unnötige Übertreibung durchaus übertragbar. (Wie blöd muss man eigentlich sein, einen Menschen formal logisch nicht als "gut" gelten lassen zu wollen, nur weil er nicht perfekt ist? – Überhaupt scheint mir viel von unserer moralischen Neurose auf das Christentum zurückzugehen.) Andererseits ist das Reich der Religion für mich dann doch noch zu eigen und zu heilig, um einfach so vom Politischen übernommen zu werden. Das Polititsche ist zu profan, es hat nicht das gleiche Recht wie die Religionen, es darf nicht die gleichen Ansprüche an den Menschen stellen. Daher ist der Vergleich auch eher unangebracht. – Doch wie auch immer, es ist schon blöd genug, auch wenn man keinen Bezug zu einer anderen historischen Blödheit herstellt. Wir kennen nur die Extreme und haben ein einfältiges Verständnis von "Liebe" und von "Gut-Sein". Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir einen bedeutenden Teil der Realität "ausgrenzen", wenn wir uns dem "Bösen" gegenüber so neurotisch verhalten.

Durch unsere simplifizierenden Projektionen erschaffen wir meiner Meinung nach häufig erst das Böse. Durch die Betrachtung eines Gegenstands durch die Brille des "Bösartigen" wird dieser Gegenstand böse. Ich glaube, das ist mit eine der Erklärungen, warum sich in der katholischen Kirche so viele Kinderschänder tummeln. Erst wird eine Geisteshaltung zur Sexualität verbreitet, die neurotisch ist, dann wird der Mensch wirklich neurotisch und schließlich bricht sich der natürliche Sexualtrieb seine Bahn auf "perversen" Wegen und am Ende gilt dies sogar als Beweis dafür, dass der Sexualität etwas Böses anhaftet.

Ich glaube, dass etwas Ähnliches mit "Nationalismus" und den natürlichen Trieben des Menschen, Kollektive zu formen, passiert. Die Triebe werden böse genannt, oder zumindest minderwertig, und so hat "Nationalismus" bzw. "Patriotismus" niemals wirklich eine faire Chance, zu zeigen, welches Potential in ihm steckt. Wir kennen es schlichtweg nicht.



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