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Samstag, 14. Juli 2012
Sein V
Es ist seltsam, welches Verständnis von "religiöser Freiheit" in der heutigen Zeit so vorherrscht.

Als in der Schweiz das Volksbegehren, das den Neubau von Moscheen mit Minaretten verbot, Erfolg hatte, regte man sich groß auf. Jetzt wird das neueste Gerichtsurteil zur Beschneidung von Jungen für ein Problem gehalten.
Auf der anderen Seite aber hatte man keine Scheu davor, muslimischen Lehrerinnen das Tragen eines Kopftuchs per Gesetz zu verbieten, und Schülern in der Pausenzeit das Beten zu verbieten. Auch kein Problem hat man damit, Art und Umfang von Sterbehilfe sehr eng einzuschränken.

Meine Meinung zu all dem verläuft mehr oder weniger entgegengesetzt zu den vorherrschenden Politikermeinungen. Welche massive Einwirkung auf das Individuum und sein "religiöses Handeln" doch beim Kopftuchverbot, beim Betverbot und bei der überaus strengen Einschränkung der Sterbehilfe vorgenommen wird! Damit verglichen wirkt das Verbot von speziellen Gebäudeformen und des Beschneidungsrituals auf mich geradezu lächerlich.

Ich sehe hier ein grundsätzliches Missverständnis in Bezug auf die eigentliche Stoßrichtung von Religion. Sie soll einen mit der inneren Dimension der eigenen Seele in Verbindung bringen. Insofern ist der Verbot einer Gebäudeform kaum ein intensiver Eingriff in die Religionsfreiheit. Auch das Verbot eines Rituals, das einmal im Leben angewandt wird, kann hier nicht ernsthaft als Verletzung der Religionsfreiheit eingestuft werden.
Die anderen Beispiele aber rücken dem Individuum jedoch sehr viel näher an die Pelle. Auch wenn ich den Aberglauben nicht fördern will, so bin ich doch der Meinung, dass das Individuum das Recht darauf hat, sich für ein Kopftuch oder ein Gebet in der Freizeit zu entscheiden – schon allein des Persönlichkeitsrechts wegen, ganz unabhängig von der Religionsfreiheit. Immerhin hat man beim Thema Gebet in der Schule in der Diskussion den Stand erreicht, dass man zwischen ritualisieren Gebet und einem stillen Gebet unterscheiden müsse, und dass man letzteres natürlich nicht einschränken könne. Hier denke ich, ist der bestmögliche Kompromiss gefunden worden. Das Kopftuchverbot allerdings halte ich für zu restriktiv; es ist in meinen Augen nicht legitim.

Was die Einschränkung der Sterbehilfe betrifft, so scheint man hier noch nichteinmal auf die Idee gekommen zu sein, dass die Haltung, die man hierzu hat, eng mit den elementarsten und fundamentalsten Positionen der eigenen Weltanschauung zusammenhängt.



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