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Donnerstag, 28. Februar 2013
Sein
Selbst-Erinnerung, Selbst-Erinnerung, Selbst-Erinnerung...

Ahnt der Leser, der jeden einzelnen meiner Blog-Einträge gelesen hat (und den es gewiss nur in meiner Phantasie gibt), wie zentral dieses Thema, dieses Phänomen, für mich ist? Ich habe es glaube ich noch nicht genug herausgestellt: Es ist einer der Hauptmotoren für diesen verrückten Trip hier, wenn nicht sogar der einzige Motor. Dieses Phänomen erklären zu können, für den normalen Menschen irgendwie sichtbar zu machen! Es gibt kein anderes Thema, in das ich mich mehr verbissen habe. Keine Wand, gegen die ich öfter mit meinem Dickschädel angerannt bin. Einige Male wollte ich mir "den Durchbruch" hier auch einreden.

Gerade kam ich zu der Erkenntnis, dass man, um diesen Weg überhaupt ansatzweise sehen zu können, mindestens über so viel Wohlstand verfügen muss, dass man sich nicht ständig über die nahe Zukunft Sorgen macht. Man darf sich nicht zu stark in Verhedderung mit der Welt befinden. Man braucht einen gewissen Sicherheitsraum, um ihn als Freiraum für einen zumindest temporären totalen Rückzug von der Welt nutzen zu können. Die subjektive Erfahrung von Totalität ist wichtig, um Sinn und Charakter der Selbst-Erinnerungspraxis überhaupt verstehen zu können. Man muss sich eine gründliche Pause von der Welt gönnen. Und all das sollte mit einer Empfindung von Freude einhergehen – dies ist das allerwichtigste. Wessen Seele dazu nicht fähig ist, der ist möglicherweise einfach nicht der Typ für diesen Weg. (? – vielleicht ist es auch nicht typbedingt.)

Ich verstehe die Motivationsstruktur jetzt nochmal etwas besser, die mich in Jugendjahren so stark in Richtung Meditation trieb. Zum einen lebte ich eben noch in der wohlbehüteten Umgebung meines Elternhauses und konnte es mir sehr leicht leisten, spirituelle Übungen durchzuführen, zum anderen verstand ich die überirdische Freude, die in Oshos Reden durchklang, sehr gut. Überhaupt hatte ich die gewisse Antenne für diese Freude.

Die neuerliche Erkenntnis von der Wichtigkeit des Elements der Entsagung und der innerlichen Loslösung von der Welt – also die Erkenntnis vom klassisch religiösen Charakter des meditativen Weges – lässt mich das Element der Selbst-Erinnerung auch mit einer anderen Formel in Verbindung bringen: "Dein Reich komme" – Selbst-Erinnerung ist auch Gottes-Erinnerung. Das war mir in der Theorie zwar so oder so schon klar, trotzdem habe ich diese Verbindung auf der elementaren Wahrnehmungsebene noch nie so klar nachvollziehen können. Man erinnert sich nicht nur seiner selbst. Man erinnert sich auch einer ganzen (übergeordneten) Welt. Man erinnert (vergegenwärtigt) sich Gottes Reich. Man vergegenwärtigt sich (direkt oder indirekt) Gott.

Ich stimme mit Nietzsche im folgenden Text viel überein, allerdings mit dem Einwand, dass die Bereitschaft für das "Kommen Gottes" nicht unbedingt nur eine "zarte" Gelassenheit ist. Ich meine, sie hat durchaus auch kämpferische Qualitäten (– auch das ist vielleicht typbedingt).
Hat man wohl beachtet, inwiefern zu einem eigentlich religiösen Leben (und sowohl zu seiner mikroskopischen Lieblings-Arbeit der Selbstprüfung als zu jener zarten Gelassenheit, welche sich »Gebet« nennt und eine beständige Bereitschaft für das »Kommen Gottes« ist –) der äußere Müßiggang oder Halb-Müßiggang nottut, ich meine der Müßiggang mit gutem Gewissen, von alters her, von Geblüt, dem das Aristokraten-Gefühl nicht ganz fremd ist, daß Arbeit schändet – nämlich Seele und Leib gemein macht? Und daß folglich die moderne, lärmende, Zeit-auskaufende, auf sich stolze, dumm-stolze Arbeitsamkeit, mehr als alles übrige, gerade zum »Unglauben« erzieht und vorbereitet? Unter denen, welche zum Beispiel jetzt in Deutschland abseits von der Religion leben, finde ich Menschen von vielerlei Art und Abkunft der »Freidenkerei«, vor allem aber eine Mehrzahl solcher, denen Arbeitsamkeit, von Geschlecht zu Geschlecht, die religiösen Instinkte aufgelöst hat: so daß sie gar nicht mehr wissen, wozu Religionen nütze sind, und nur mit einer Art stumpfen Erstaunens ihr Vorhandensein in der Welt gleichsam registrieren. Sie fühlen sich schon reichlich in Anspruch genommen, diese braven Leute, sei es von ihren Geschäften, sei es von ihren Vergnügungen, gar nicht zu reden vom »Vaterlande« und den Zeitungen und den »Pflichten der Familie«: es scheint, daß sie gar keine Zeit für die Religion übrig haben, zumal es ihnen unklar bleibt, ob es sich dabei um ein neues Geschäft oder ein neues Vergnügen handelt – denn unmöglich, sagen sie sich, geht man in die Kirche, rein um sich die gute Laune zu verderben.
(Jenseits von Gut und Böse. Kapitel 58)



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