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Samstag, 10. Dezember 2011
gedankenmaler, 23:26h
suicide1 (txt, 19 KB)
Eine weitere Runde von Lebensverneinung und Lebensbejahung "überstanden", gleich eine ganze Abfolge von großen und kleinen Zyklen... und das (Glücks)Rad dreht sich weiter, hier und heute, jeden Tag...
Ich will so tun, als hätte ich jetzt gerade eine Pause davon und blicke zurück auf die letzten Tage und Wochen.
Hier und jetzt haftet mir vor allem im Gedächtnis, dass mich Wahrnehmungen aus der seltsamen Ecke aus Stolz und Scham, Größe und Erbärmlichkeit berührt haben und dass genau eine negative Selbstwahrnehmung hier sehr hemmend gewirkt hat. Hier wiederrum spielte es eine große Rolle, dass ich mich mit dem Bild meines Körpers beschäftigte, das ich hinterlassen würde. Wollte "ich" wirklich so ein Bild hinterlassen? Ein blasser, verbluteter Körper eines jungen Mannes mit aufgeschlitzten Pulsadern irgendwo in einem Hotelzimmer oder auf freier Flur...
Wie dumm! Die Gedankenmalerei hatte ja schon immer den ein oder anderen Nebeneffekt, aber wieso dulde ich seit so langer Zeit so viel Oberflächlichkeit / Fehlgeleitetheit in mir? Dieses absichtliche Unkritisch-Sein hat selbst auf Themenfelder übergegriffen, die mir früher sehr wichtig waren. Wo ist meine Konsequenz, mit der ich früher so klare und streng-leidenschaftliche Denk- und Verhaltensregeln aufgestellt hatte? Hier: Wieso lasse ich es überhaupt zu, mir Gedanken über die Ästhetik und Würde meines toten Körpers zu machen? - über einen Körper, der ich gar nicht mehr bin (Futur II !: gewesen sein werde...)? Und was gebe ich mich überhaupt mit Empfindungen von Stolz und Scham ab? War ich nicht früher immer der Meinung, dass diese beiden einfach nur eine Krankheit sind?
Wiedermal komme ich zu diesem Schluss: Ich habe genug herumgespielt, und muss mich / mein Denken und Fühlen wieder in festere Grenzen hineinbegeben, auch wenn ich auf diesem Wege - der Ansatzpunkt wäre ein leidenschaftlicher Idealismus und eine leidenschaftliche Kritik der Außenwelt - wieder nicht das rechte Maß finden würde.
Doch das rechte Maß kann schlecht allein vom Kopf befohlen werden (wie überhaupt alles nicht gelingt, das allein vom Kopf angestrebt wird). So ist dieses nicht begrenzte Ausschlagen in alle möglichen Richtungen inzwischen auch nicht mehr nur Experiment, sondern auch eine Folge meines mangelnden Lebenswillens. Da ist nur noch sehr wenig ruhiger, kräftiger Ernst in mir. Mein Herz (mein Sein) meldet sich mit fortschreitender Zeit zu immer weniger Dingen zu Wort. (Und dies hat keinen anderen Grund, als dass ich auf tiefer Ebene etwas anderes will, als das, was mein Oberflächenbewusstsein so alles an Vorschlägen anbietet.)
...
Ich halte meine Beschäftigung mit Stolz, Scham, etc. nicht für eine Niederlage, aber für einen Irren.
Später kam es für mich zu einer Niederlage, die bitter war. Sie war so echt und tief und traurig wie noch nie eine Niederlage zuvor: Von welchen Faktoren auch immer vom Ziel des Freitods abgekommen schaute ich nach Alternativen um. Sie offenbarte sich mir wie so oft durch Zufall bzw. Notwendigkeit. Ich checkte aus dem Hotel aus und hörte auf mein Gefühl, das sich gegen ein erneutes Einchecken irgendwo in der Nähe vehemennt sträubte, sowie auch gegen jede zu frühe Entscheidung. All mein Sack und Pack auf dem Rücken ging ich also ziemlich planlos los. Sehr bald begann ich Freude daran zu empfinden. Als ich aber im Laufe meines Umherschweifens schließlich oben auf dem Teufelsberg in Berlin landete und mich dort oben in eine Decke wickelte, war ich voller Zufriedenheit: Gerade der Umstand kein festes Zuhause auf diesem Planeten zu haben, versetzte mich in Hochstimmung! Die ganze Erde war mein Zuhause!
Alles klar also - und ziemlich in Übereinstimmung mit dem Klischee: Der Sucher von Herzen ist eben auch ein Wandersmann von Herzen. So simpel, so einfach.
Wenn da nicht die doofe Praxis mit ihren doofen Sachzwängen wäre...
Der normale Mensch kann ja nicht ohne ein Nachtlager leben. Und wenn das Geld alle ist, muss irgendwie aufgetankt werden, denn auch der Körper muss auftanken. Dass es in der heutigen Zeit nun durchaus die ein oder andere Alternative gibt, "Mobilität" und Geld verdienen miteinander zu vereinbaren - LKW-Fahrer ist nur ein Beispiel von vielen -, tröstet ein kleines bißchen, gibt aber letztlich doch keine tiefe Befriedigung, denn "Mobilität" und Freiheit sind nochmal zwei verschiedene Paar Schuhe - vor allem, wenn man so verliebt in einige der Jesus-Worte aus der Bergpredigt ist und diesem Wahnwitz des Glaubens an Gott und seine liebevolle Hilfe hinterherrennt. Irgend ein Wunder wird einen schon retten!, sagt man sich lieber voller Euphorie, Hingabe und Eifer - doch...
Doch wie jämmerlich fühlt man sich eben, wenn man dann, wenn es so weit ist, zu springen - z.B. durch den Kauf eines Zugtickets - plötzlich Muffensausen kriegt und einen sogar die monströseste Form von Feigheit - nämlich Schläfrigkeit und Faulheit - einen davon abhält. Nach der Kraft gebenden Selbst-Erkenntnis und Hochstimmung auf dem Teufelsberg in Berlin legte ich eine jämmerliche Bruchlandung im Tal hin. Ich kam einfach nicht in die Gänge.
Hierfür nun entwickelte ich wieder so etwas wie Scham - diesmal im Verbund mit Versagensgefühlen und diesmal so tief, dass ich es nicht für einen Irrweg halte, sondern für etwas Heilsames. Die Scham über meine Feigheit hatte ja immerhin zur Folge, dass ich wieder einen Moment der Einsicht in die Notwendigkeit der Meditation bzw. der Reinigung des eigenen Geistes erhielt. Tiefe Scham über die eigene Feigheit als Anfangsimpuls für eine spirituelle Kehrtwende...
("Tiefe Scham arbeitet mit den ur-eigenen, inneren Maßstäben des Geistes, während oberflächliche Scham von den Maßstäben und dem Urteil der Welt abhängig ist.")
...
Durch eine Phase von Oberflächlichkeit und oberflächlicher Scham wurde ich also vom Suizid abgehalten. In der nachfolgenden Zeit machte ich die interessante und unerwartete Selbst-Erkenntnis, dass ich eben gar kein festes Zuhause haben will. Dann kam es zu einer Niederlage, weil es mir an Mut mangelte, den erkannten Traum auch zu leben. Zuletzt der aus tiefer Scham geborene Schluss, die Erkenntnis und der Drang, wieder mehr zu meditieren...
Noch vor diesem Zyklus gab es noch einen anderen Zyklus, in dem die Abkehr vom Suizid nicht auf Oberflächlichkeit basierte, sondern aus einem unerklärlichen Nichts heraus entstand. Es war der 17.11., an dem ich zum ersten Mal in meinem Leben in ein Hotelzimmer gehen wollte, um dort nochmal meine letzten Worte zu Papier zu bringen und dann die Himmelfahrt in Gang zu setzen. Da ich einen Tag vorher noch meine Eltern besucht hatte, hatte ich auf meiner Rückkehr nach Berlin Gepäck bei mir wie ein Reisender. Ich wollte alles ganz ruhig angehen; ich beschäftigte mich nur noch mit der Frage, wie ich diesen Tag am angenehmsten für mich gestalten konnte, überlegte in welches Café oder Restaurant ich nocheinmal gehen wollte und streifte in dieser Grundstimmung - wozu natürlich auch einige ängstliche Nervosität gehörte - durch die Stadt. Und dann, nach ca. 1-2 Stunden dieses Umherstreifens, fiel plötzlich alles von mir ab und ich hatte plötzlich überhaupt gar keine Lust auf mein Vorhaben mehr.
...
Natürlich steht nach wie vor nichts fest.
Es steht nach wie vor nicht fest, ob ich "leben" oder "sterben" will. Es steht nicht fest, ob ich durch Meditation im Leben die Tiefe erfahren kann, die mir nach meinem Gefühl der "Weg des Freitods" geben kann. Es steht noch nichtmal fest, wie lange mich der gelebte Traum des Wanderers von innen mit Kraft versorgen würde, wenn ich denn einmal den Mut dazu zusammen nehmen würde. Fest steht nur, dass ich mich auf die höchsten Ziele ausrichten will und dass ich aus der "Struktur" meiner Seele heraus nicht anders kann, als der Erkenntnis einen hohen Wert zuzuschreiben; selbst sehr lange Leidenswege scheinen für mich gerechtfertigt, wenn am Ende nur eine nette, kleine Erkenntnis dabei herumkommt...
...
Zur Frage nach dem potentiellen Nutzen von Suizidbereitschaft bzw. absoluter Todesakzeptanz in der menschlichen Psyche: Im Grunde ist sie auf der praktischen Ebene ja gar keine Frage; selbstverständlich erweitert die totale Akzeptanz seines möglichen Todes den Handlungsspielraum. Doch gibt es sicher viele, die sich in diesem Zusammenhang die Frage nach der "Zulässigkeit" dieses "Tricks" stellen. Hier bin ich mir sehr sicher: Es ist, erstens, gar kein Trick und, zweitens, ist dies in jedem Fall zulässig. Darüber hinaus ist der daraus entstehende "Mut" nicht abzuwerten.
Um in der Praxis den "Mut" zur Vollstreckung zu haben - der selbstverständlich da sein muss -, muss man in jedem Fall aus seiner Tiefe schöpfen und darf sich nicht von Oberflächlichkeiten aufhalten lassen.
(Auch der Begriff "Mut" sollte einmal genauer durchdacht werden... Dass es das, was man dahinter erwartet, vielleicht gar nicht gibt, nicht geben kann, ist eine meiner Entdeckungen / Positionen...)
...
"Wieso muss ich mich immer erst in solche Extremsituationen begeben, um herauszufinden, was mich wirklich glücklich macht / machen könnte? Geht es nicht auch irgendwie leichter?"
Ich glaube, dass bei mir immernoch eine der größten Dummheiten des "zivilisierten" und moralisch eingeschüchterten Menschen am Werk ist: Die Gehemmtheit vor dem falschen Egoismus. Da ist immernoch eine gewisse Ängstlichkeit davor, etwas im moralischen Sinne falsch zu machen. Da ist immernoch ein gewisser Mangel an Selbstvertrauen in Bezug auf meine Urteilsfähigkeit bezüglich richtigen und falschen Egoismus in mir. Da ist immernoch kein direktes Verhältnis zur Welt, sondern es schiebt sich ein gewisses Maß an Angst dazwischen.
Wäre ich "egoistischer", würde ich die Welt - also auch mich - direkter und intensiver wahrnehmen. Im Normalzustand bin ich zu gehemmt dazu, doch in einer Krise finde ich immerhin dahin zurück.
Abgesehen davon fallen mir noch zwei Dinge ein, die man trainieren sollte:
So blöd es klingt; man sollte sich einfach vornehmen, etwas intelligenter zu sein. Man sollte sich z.B. öfter daran erinnern, wie unendlich "dumm" man doch "eigentlich" (--) ist, wenn man sein Leben nicht mit voller Inbrunst und Angstfreiheit lebt. Zweitens, sollte man sich immer wieder daran erinnern, dass man etwas lockerer sein sollte.
...
"Tiefe" ist einer der wesentlichsten Faktoren, die meine Suche bestimmen, so habe ich erst seit kurzem erkannt. So habe ich z.B. immernoch Vorbehalte gegen allzu technische spirituelle Techniken, bei denen es "nur" um Energiebeherrschung geht; ich kann darin schwer die Dimension der Tiefe entdecken bzw. finde einfach ein bißchen zu wenig davon.
Interessant ist, dass sich hierzu auf der physischen Ebene vor allem meine Bauchregion meldet. Das Verlangen nach absoluter Tiefe hat seine körperliche Vertretung in der Bauchregion. Hier sitzt die diffuse Ahnung, die letztlich doch wieder konkret genug ist, um zu wissen, dass sie "Tiefe" haben möchte. Gleichzeitig habe ich aber auch ein gewisses Misstrauen gegenüber der Bauchregion, was seine Gründe überwiegend in meiner Konditionierung hat: Ist es nicht ein wesentliches Kennzeichen der spirituellen Arbeit und der spirituellen Entwicklung, dass man "aufsteigt"? Und wird dieses Aufsteigen und Voranschreiten nicht auch direkt widergespiegelt in den Energiezentren des Körpers? (Nennen wir nicht alle die Gefühle der Bauchregion "tief", weil unsere unbewusste Sprachintelligenz einfach die Metapher von "tief" aus der räumlichen Anordnung des Bauch abgeleitet hat - der eben eher "unten", also "tief", liegt?) Wie wertvoll ist der Bauch? Wie wertvoll ist das Herz (also der Bereich des Solarplexus)? Wie wertvoll ist der Kopf? Bedeutet ein Festhalten, ein Sich-Aufhalten, ein Zu-Ernst-Nehmen, ein Sich-Beschäftigen mit den Gefühlen der Bauchregion nicht, dass man in einem weltlichen Schlamm von Emotionen und Gedanken stecken bleibt?
All das sind Fragen, bei denen ich mir immernoch verflucht unsicher bin. Ehrlich gesagt, ziehe ich sogar ziemlich bewusst in Zweifel, ob man hier einfach nur so auf sein eigenes Gefühl hören sollte - würde ich dies tun, so würde ich jedenfalls den Bauch zum eigentlichen Chef im Menschen erklären... nur wenn er schweigt, würden die Signale der anderen Regionen den Ausschlag geben können...
... ich glaube, ich werde dann auch auf dieses Pferd setzen... Schluss mit den Zweifeln...
PS: Es sollte jedem schon einmal aufgefallen sein, wie sehr wir hier in unserer Alltagssprache herumschlampen... Da wird das "Herz" als Metapher für die leidenschaftlichen und versklavenden Gefühle der Liebe benutzt, während es doch eigentlich für Freiheit, Sein, Kraft, Stabilität und Selbst-Bewusstsein im Menschen steht...
PPS: Gibt es hier einen Unterschied zwischen Männern und Frauen? Oder allgemein zwischen den Typen?
PPPS: Mein leidenschaftlicher Wunsch zu sterben, ist eine Eingabe aus der Bauchregion...
PPPPS: Aus der Bauchregion stammt auch mein Sinn für die Schönheit von Jesus und seiner Lehre
...
Gedankenmalerei muss nicht per se mit unkontrollierter Oberflächlichkeit einhergehen. Vielmehr war es meine mehr oder weniger bewusste Wahl, mich auch ein Stück weit in Bereiche zu begeben, die ich eigentlich eher dem Aberglauben zuordne:
Der Glaube an Ruhm und Schande...
Der Glaube an eine so enge Korelation zwischen Außen- und Innenwelt, dass man jedem Menschen bereits im Gesicht ablesen kann, ob er ein guter Mensch ist oder ein Bösewicht...
Der Glaube an Energien, Energiefelder, Energieorte, Geister und die Arbeit mit diesen...
Dies sind nur drei Beispiele für Themen, die ich nicht einfach so als schwachsinnig darstellen will, auf die einzugehen, mir aber eher fremd ist. Versuchsmäßig habe ich nun lange Zeit mit allem gespielt, dass irgendwie eine Eigendynamik mit sich brachte. Alles, das irgendwie unterhaltsam war und Kraft gab. Ich glaube, ich werde mich aber sehr bald wieder aus all dem zurückziehen. So gefällt mir z.B. meine strenge Haltung, der ich in der Vergangenheit fröhnte und die besagt, dass ein Mensch zu 0,0% nach dem Äußeren zu beurteilen ist, ja doch viel besser...
Eine weitere Runde von Lebensverneinung und Lebensbejahung "überstanden", gleich eine ganze Abfolge von großen und kleinen Zyklen... und das (Glücks)Rad dreht sich weiter, hier und heute, jeden Tag...
Ich will so tun, als hätte ich jetzt gerade eine Pause davon und blicke zurück auf die letzten Tage und Wochen.
Hier und jetzt haftet mir vor allem im Gedächtnis, dass mich Wahrnehmungen aus der seltsamen Ecke aus Stolz und Scham, Größe und Erbärmlichkeit berührt haben und dass genau eine negative Selbstwahrnehmung hier sehr hemmend gewirkt hat. Hier wiederrum spielte es eine große Rolle, dass ich mich mit dem Bild meines Körpers beschäftigte, das ich hinterlassen würde. Wollte "ich" wirklich so ein Bild hinterlassen? Ein blasser, verbluteter Körper eines jungen Mannes mit aufgeschlitzten Pulsadern irgendwo in einem Hotelzimmer oder auf freier Flur...
Wie dumm! Die Gedankenmalerei hatte ja schon immer den ein oder anderen Nebeneffekt, aber wieso dulde ich seit so langer Zeit so viel Oberflächlichkeit / Fehlgeleitetheit in mir? Dieses absichtliche Unkritisch-Sein hat selbst auf Themenfelder übergegriffen, die mir früher sehr wichtig waren. Wo ist meine Konsequenz, mit der ich früher so klare und streng-leidenschaftliche Denk- und Verhaltensregeln aufgestellt hatte? Hier: Wieso lasse ich es überhaupt zu, mir Gedanken über die Ästhetik und Würde meines toten Körpers zu machen? - über einen Körper, der ich gar nicht mehr bin (Futur II !: gewesen sein werde...)? Und was gebe ich mich überhaupt mit Empfindungen von Stolz und Scham ab? War ich nicht früher immer der Meinung, dass diese beiden einfach nur eine Krankheit sind?
Wiedermal komme ich zu diesem Schluss: Ich habe genug herumgespielt, und muss mich / mein Denken und Fühlen wieder in festere Grenzen hineinbegeben, auch wenn ich auf diesem Wege - der Ansatzpunkt wäre ein leidenschaftlicher Idealismus und eine leidenschaftliche Kritik der Außenwelt - wieder nicht das rechte Maß finden würde.
Doch das rechte Maß kann schlecht allein vom Kopf befohlen werden (wie überhaupt alles nicht gelingt, das allein vom Kopf angestrebt wird). So ist dieses nicht begrenzte Ausschlagen in alle möglichen Richtungen inzwischen auch nicht mehr nur Experiment, sondern auch eine Folge meines mangelnden Lebenswillens. Da ist nur noch sehr wenig ruhiger, kräftiger Ernst in mir. Mein Herz (mein Sein) meldet sich mit fortschreitender Zeit zu immer weniger Dingen zu Wort. (Und dies hat keinen anderen Grund, als dass ich auf tiefer Ebene etwas anderes will, als das, was mein Oberflächenbewusstsein so alles an Vorschlägen anbietet.)
...
Ich halte meine Beschäftigung mit Stolz, Scham, etc. nicht für eine Niederlage, aber für einen Irren.
Später kam es für mich zu einer Niederlage, die bitter war. Sie war so echt und tief und traurig wie noch nie eine Niederlage zuvor: Von welchen Faktoren auch immer vom Ziel des Freitods abgekommen schaute ich nach Alternativen um. Sie offenbarte sich mir wie so oft durch Zufall bzw. Notwendigkeit. Ich checkte aus dem Hotel aus und hörte auf mein Gefühl, das sich gegen ein erneutes Einchecken irgendwo in der Nähe vehemennt sträubte, sowie auch gegen jede zu frühe Entscheidung. All mein Sack und Pack auf dem Rücken ging ich also ziemlich planlos los. Sehr bald begann ich Freude daran zu empfinden. Als ich aber im Laufe meines Umherschweifens schließlich oben auf dem Teufelsberg in Berlin landete und mich dort oben in eine Decke wickelte, war ich voller Zufriedenheit: Gerade der Umstand kein festes Zuhause auf diesem Planeten zu haben, versetzte mich in Hochstimmung! Die ganze Erde war mein Zuhause!
Alles klar also - und ziemlich in Übereinstimmung mit dem Klischee: Der Sucher von Herzen ist eben auch ein Wandersmann von Herzen. So simpel, so einfach.
Wenn da nicht die doofe Praxis mit ihren doofen Sachzwängen wäre...
Der normale Mensch kann ja nicht ohne ein Nachtlager leben. Und wenn das Geld alle ist, muss irgendwie aufgetankt werden, denn auch der Körper muss auftanken. Dass es in der heutigen Zeit nun durchaus die ein oder andere Alternative gibt, "Mobilität" und Geld verdienen miteinander zu vereinbaren - LKW-Fahrer ist nur ein Beispiel von vielen -, tröstet ein kleines bißchen, gibt aber letztlich doch keine tiefe Befriedigung, denn "Mobilität" und Freiheit sind nochmal zwei verschiedene Paar Schuhe - vor allem, wenn man so verliebt in einige der Jesus-Worte aus der Bergpredigt ist und diesem Wahnwitz des Glaubens an Gott und seine liebevolle Hilfe hinterherrennt. Irgend ein Wunder wird einen schon retten!, sagt man sich lieber voller Euphorie, Hingabe und Eifer - doch...
Doch wie jämmerlich fühlt man sich eben, wenn man dann, wenn es so weit ist, zu springen - z.B. durch den Kauf eines Zugtickets - plötzlich Muffensausen kriegt und einen sogar die monströseste Form von Feigheit - nämlich Schläfrigkeit und Faulheit - einen davon abhält. Nach der Kraft gebenden Selbst-Erkenntnis und Hochstimmung auf dem Teufelsberg in Berlin legte ich eine jämmerliche Bruchlandung im Tal hin. Ich kam einfach nicht in die Gänge.
Hierfür nun entwickelte ich wieder so etwas wie Scham - diesmal im Verbund mit Versagensgefühlen und diesmal so tief, dass ich es nicht für einen Irrweg halte, sondern für etwas Heilsames. Die Scham über meine Feigheit hatte ja immerhin zur Folge, dass ich wieder einen Moment der Einsicht in die Notwendigkeit der Meditation bzw. der Reinigung des eigenen Geistes erhielt. Tiefe Scham über die eigene Feigheit als Anfangsimpuls für eine spirituelle Kehrtwende...
("Tiefe Scham arbeitet mit den ur-eigenen, inneren Maßstäben des Geistes, während oberflächliche Scham von den Maßstäben und dem Urteil der Welt abhängig ist.")
...
Durch eine Phase von Oberflächlichkeit und oberflächlicher Scham wurde ich also vom Suizid abgehalten. In der nachfolgenden Zeit machte ich die interessante und unerwartete Selbst-Erkenntnis, dass ich eben gar kein festes Zuhause haben will. Dann kam es zu einer Niederlage, weil es mir an Mut mangelte, den erkannten Traum auch zu leben. Zuletzt der aus tiefer Scham geborene Schluss, die Erkenntnis und der Drang, wieder mehr zu meditieren...
Noch vor diesem Zyklus gab es noch einen anderen Zyklus, in dem die Abkehr vom Suizid nicht auf Oberflächlichkeit basierte, sondern aus einem unerklärlichen Nichts heraus entstand. Es war der 17.11., an dem ich zum ersten Mal in meinem Leben in ein Hotelzimmer gehen wollte, um dort nochmal meine letzten Worte zu Papier zu bringen und dann die Himmelfahrt in Gang zu setzen. Da ich einen Tag vorher noch meine Eltern besucht hatte, hatte ich auf meiner Rückkehr nach Berlin Gepäck bei mir wie ein Reisender. Ich wollte alles ganz ruhig angehen; ich beschäftigte mich nur noch mit der Frage, wie ich diesen Tag am angenehmsten für mich gestalten konnte, überlegte in welches Café oder Restaurant ich nocheinmal gehen wollte und streifte in dieser Grundstimmung - wozu natürlich auch einige ängstliche Nervosität gehörte - durch die Stadt. Und dann, nach ca. 1-2 Stunden dieses Umherstreifens, fiel plötzlich alles von mir ab und ich hatte plötzlich überhaupt gar keine Lust auf mein Vorhaben mehr.
...
Natürlich steht nach wie vor nichts fest.
Es steht nach wie vor nicht fest, ob ich "leben" oder "sterben" will. Es steht nicht fest, ob ich durch Meditation im Leben die Tiefe erfahren kann, die mir nach meinem Gefühl der "Weg des Freitods" geben kann. Es steht noch nichtmal fest, wie lange mich der gelebte Traum des Wanderers von innen mit Kraft versorgen würde, wenn ich denn einmal den Mut dazu zusammen nehmen würde. Fest steht nur, dass ich mich auf die höchsten Ziele ausrichten will und dass ich aus der "Struktur" meiner Seele heraus nicht anders kann, als der Erkenntnis einen hohen Wert zuzuschreiben; selbst sehr lange Leidenswege scheinen für mich gerechtfertigt, wenn am Ende nur eine nette, kleine Erkenntnis dabei herumkommt...
...
Zur Frage nach dem potentiellen Nutzen von Suizidbereitschaft bzw. absoluter Todesakzeptanz in der menschlichen Psyche: Im Grunde ist sie auf der praktischen Ebene ja gar keine Frage; selbstverständlich erweitert die totale Akzeptanz seines möglichen Todes den Handlungsspielraum. Doch gibt es sicher viele, die sich in diesem Zusammenhang die Frage nach der "Zulässigkeit" dieses "Tricks" stellen. Hier bin ich mir sehr sicher: Es ist, erstens, gar kein Trick und, zweitens, ist dies in jedem Fall zulässig. Darüber hinaus ist der daraus entstehende "Mut" nicht abzuwerten.
Um in der Praxis den "Mut" zur Vollstreckung zu haben - der selbstverständlich da sein muss -, muss man in jedem Fall aus seiner Tiefe schöpfen und darf sich nicht von Oberflächlichkeiten aufhalten lassen.
(Auch der Begriff "Mut" sollte einmal genauer durchdacht werden... Dass es das, was man dahinter erwartet, vielleicht gar nicht gibt, nicht geben kann, ist eine meiner Entdeckungen / Positionen...)
...
"Wieso muss ich mich immer erst in solche Extremsituationen begeben, um herauszufinden, was mich wirklich glücklich macht / machen könnte? Geht es nicht auch irgendwie leichter?"
Ich glaube, dass bei mir immernoch eine der größten Dummheiten des "zivilisierten" und moralisch eingeschüchterten Menschen am Werk ist: Die Gehemmtheit vor dem falschen Egoismus. Da ist immernoch eine gewisse Ängstlichkeit davor, etwas im moralischen Sinne falsch zu machen. Da ist immernoch ein gewisser Mangel an Selbstvertrauen in Bezug auf meine Urteilsfähigkeit bezüglich richtigen und falschen Egoismus in mir. Da ist immernoch kein direktes Verhältnis zur Welt, sondern es schiebt sich ein gewisses Maß an Angst dazwischen.
Wäre ich "egoistischer", würde ich die Welt - also auch mich - direkter und intensiver wahrnehmen. Im Normalzustand bin ich zu gehemmt dazu, doch in einer Krise finde ich immerhin dahin zurück.
Abgesehen davon fallen mir noch zwei Dinge ein, die man trainieren sollte:
So blöd es klingt; man sollte sich einfach vornehmen, etwas intelligenter zu sein. Man sollte sich z.B. öfter daran erinnern, wie unendlich "dumm" man doch "eigentlich" (--) ist, wenn man sein Leben nicht mit voller Inbrunst und Angstfreiheit lebt. Zweitens, sollte man sich immer wieder daran erinnern, dass man etwas lockerer sein sollte.
...
"Tiefe" ist einer der wesentlichsten Faktoren, die meine Suche bestimmen, so habe ich erst seit kurzem erkannt. So habe ich z.B. immernoch Vorbehalte gegen allzu technische spirituelle Techniken, bei denen es "nur" um Energiebeherrschung geht; ich kann darin schwer die Dimension der Tiefe entdecken bzw. finde einfach ein bißchen zu wenig davon.
Interessant ist, dass sich hierzu auf der physischen Ebene vor allem meine Bauchregion meldet. Das Verlangen nach absoluter Tiefe hat seine körperliche Vertretung in der Bauchregion. Hier sitzt die diffuse Ahnung, die letztlich doch wieder konkret genug ist, um zu wissen, dass sie "Tiefe" haben möchte. Gleichzeitig habe ich aber auch ein gewisses Misstrauen gegenüber der Bauchregion, was seine Gründe überwiegend in meiner Konditionierung hat: Ist es nicht ein wesentliches Kennzeichen der spirituellen Arbeit und der spirituellen Entwicklung, dass man "aufsteigt"? Und wird dieses Aufsteigen und Voranschreiten nicht auch direkt widergespiegelt in den Energiezentren des Körpers? (Nennen wir nicht alle die Gefühle der Bauchregion "tief", weil unsere unbewusste Sprachintelligenz einfach die Metapher von "tief" aus der räumlichen Anordnung des Bauch abgeleitet hat - der eben eher "unten", also "tief", liegt?) Wie wertvoll ist der Bauch? Wie wertvoll ist das Herz (also der Bereich des Solarplexus)? Wie wertvoll ist der Kopf? Bedeutet ein Festhalten, ein Sich-Aufhalten, ein Zu-Ernst-Nehmen, ein Sich-Beschäftigen mit den Gefühlen der Bauchregion nicht, dass man in einem weltlichen Schlamm von Emotionen und Gedanken stecken bleibt?
All das sind Fragen, bei denen ich mir immernoch verflucht unsicher bin. Ehrlich gesagt, ziehe ich sogar ziemlich bewusst in Zweifel, ob man hier einfach nur so auf sein eigenes Gefühl hören sollte - würde ich dies tun, so würde ich jedenfalls den Bauch zum eigentlichen Chef im Menschen erklären... nur wenn er schweigt, würden die Signale der anderen Regionen den Ausschlag geben können...
... ich glaube, ich werde dann auch auf dieses Pferd setzen... Schluss mit den Zweifeln...
PS: Es sollte jedem schon einmal aufgefallen sein, wie sehr wir hier in unserer Alltagssprache herumschlampen... Da wird das "Herz" als Metapher für die leidenschaftlichen und versklavenden Gefühle der Liebe benutzt, während es doch eigentlich für Freiheit, Sein, Kraft, Stabilität und Selbst-Bewusstsein im Menschen steht...
PPS: Gibt es hier einen Unterschied zwischen Männern und Frauen? Oder allgemein zwischen den Typen?
PPPS: Mein leidenschaftlicher Wunsch zu sterben, ist eine Eingabe aus der Bauchregion...
PPPPS: Aus der Bauchregion stammt auch mein Sinn für die Schönheit von Jesus und seiner Lehre
...
Gedankenmalerei muss nicht per se mit unkontrollierter Oberflächlichkeit einhergehen. Vielmehr war es meine mehr oder weniger bewusste Wahl, mich auch ein Stück weit in Bereiche zu begeben, die ich eigentlich eher dem Aberglauben zuordne:
Der Glaube an Ruhm und Schande...
Der Glaube an eine so enge Korelation zwischen Außen- und Innenwelt, dass man jedem Menschen bereits im Gesicht ablesen kann, ob er ein guter Mensch ist oder ein Bösewicht...
Der Glaube an Energien, Energiefelder, Energieorte, Geister und die Arbeit mit diesen...
Dies sind nur drei Beispiele für Themen, die ich nicht einfach so als schwachsinnig darstellen will, auf die einzugehen, mir aber eher fremd ist. Versuchsmäßig habe ich nun lange Zeit mit allem gespielt, dass irgendwie eine Eigendynamik mit sich brachte. Alles, das irgendwie unterhaltsam war und Kraft gab. Ich glaube, ich werde mich aber sehr bald wieder aus all dem zurückziehen. So gefällt mir z.B. meine strenge Haltung, der ich in der Vergangenheit fröhnte und die besagt, dass ein Mensch zu 0,0% nach dem Äußeren zu beurteilen ist, ja doch viel besser...
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